le schweiz, c'est moi
Ich muss hier und heute einen Schlußpunkt finden. Seit Tagen überlege ich nun, was ich auf Oliver Kuhnerts Analyse „The Death of Graffiti“ zum Zustand der Writing- Szene erwidern oder ergänzen könnte. Eines ist mir mittlerweile klar geworden: viel mehr meiner freien Zeit darf es nicht in Anspruch nehmen, denn das ist diese Szene schlichtweg nicht wert. Ja klar, die Szene an sich gibt es nicht. Ja, auch klar, nicht jeder Writer ist grundsätzlich scheiße, weil narzisstisch, opportunistisch, egoistisch, rückgratlos, gewalttätig, lernresistent, neidisch, geizig, stylelos, ideenlos, respektlos, stupide, billig, blind. Auch klar, es war früher anders. Da haben sich die Writer ebenso gewandelt wie die anderen, normalen Menschen um uns herum.
Vor drei Jahren erschien im Magazin „Spiegel“ eine gesellschaftliche Momentaufnahme unter dem Titel „Wir Asozialen – Ichlinge und Ignoranten bestimmen unseren Alltag,...“, aus welcher das folgende Zitat stammt:
„Auch in Deutschland ist das so genannte Sozialkapital – die Summe dessen, was Menschen mit Menschen den lieben langen Tag mit- und füreinander tun – in den vergangenen Jahrzehnten drastisch geschwunden.“
Als wir vor 3 Jahrzehnten anfingen Dortmund vollzuschmieren, waren wir auch nicht alles Freunde, doch gab es bei den unterschiedlichen Gruppen von Sprayern das unausgesprochene Ziel der gemeinsamen Stadtgestaltung. Heutzutage scheint so ein Ansatz völlig fehl am Platze. Im Streben eines einzelnen Writers oder einer einzelnen Crew nach sehr sehr fragwürdiger Fame wird eine Menge verbrannte Erde hinterlassen, Ichlinge und Ignoranten sind mittlerweile auch im Writing viel zu weit verbreitet.
Und was sich gerade wie eine Verurteilung anhört, ist nur eine Zustandsbeschreibung von meinem subjektiven demütigen Standpunkt aus. Eine Anklage folgt erst jetzt, denn all der zuvor angedeutete Mist passiert sowieso, denn das gehört zum Heranwachsen/Erwachsenwerden und wohl ebenso zur Evolution des Writings, aber wenn man so um die 30 ist, +- ein paar Jahre, und einfach Scheiße bleibt, dann sehe ich Psychotherapiebedarf. Sollte da nicht ruhiger, besonnener, klarer und durchdachter gehandelt werden, dann hat da wohl der Papa, der Onkel oder vielleicht auch die Mutti mit dem Kleinen Schindluder im Keller getrieben.
Meinen Beitrag sollte ich nicht ohne Lösungsvorschlag schließen, denn das wäre zu billig. Ich rate zu einem Blick über die Grenze zur Schweiz. Weitestgehend ungeachtet dessen, was in der Welt vor sich geht ziehen die Eidgenossen ihren Stiefel durch und scheißen im Großen und Ganzen auf andere. Die machen einfach ihr Ding und gut ist. Sie haben so eines der wohlhabendsten Länder der Welt geschaffen. Auch da ist nicht jeder glücklich, doch die Möglichkeiten sind vorhanden. Es liegt dann schlichtweg an dem Einzelnen, das Beste draus zu machen.
An dieser Stelle können Aspekte des obenstehenden Textes kommentiert werden. Solltest du eine ausführlichere Replik auf den Originaltext von Oliver Kuhnert einsenden wollen, bitten wir dich, diese an hello@possible-books zu verschicken.
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